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Phasenwechsel in der Laufbahn eines jungen Komponisten - Jul 94

Helmut Burkhardt aus Wernberg: Ein musikalischer „Akkordarbeiter". Bild: privat
Helmut Burkhardt aus Wernberg: Ein musikalischer „Akkordarbeiter". Bild: privat

Helmut Burkhardts neue Komposition im Mittelpunkt eines Rundfunk-Konzerts

Wernberg. Da zieht einer seine instrumentalpädagogischen Kreise an der Musikschule, Klavier- und Cembalo-Auftritte eingeschlossen, jedoch - oberpfälzisch verborgen und fast etwas heimlich - baut er Musikwerke. Wirksame Strategieentwürfe samt obligatorischem Wortgeklingel sind nicht sein Bier. Helmut Burkhardt komponiert und zeigt seine Schöpfungen her - die harte Zeit eines .,Akkordarbeiters" (Max Reger) mit seinem Komponier-Getriebensein, wenn die deutliche Beachtung auf sich warten läßt.

Endlich wechselt nun die Phase. Franz Hummel, einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten Deutschlands, stößt auf Helmut Burkhardt, wird fündig und empfiehlt den eher Wortkargen. Der Bayerische Rundfunk und der Audi-Kulturfond erteilen ihm einen Kompositionsauftrag: die Entscheidung: ein Klavierquin-tett. Die Uraufführung gab's am 3. Juli auf Schloß Leitheim bei Donauwörth. Gleich zwei Aufführungen wegen des großen Publikumsinteresses plus Rundfunkmitschnitt füllten den Tag. Darüberhinaus wurde ein Konzert des .,Kissinger Sommers" mit diesem Werk geziert. Keine Geringeren als das junge aufschießende NomosQuartett und der Pianist Matthias Kirschnereit waren die Interpreten.

Die Vorstellung der Komposition Helmut Burkhardts mit dem Titel „Ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel" geriet auch zu jenem Wurf, der karriereauslösend sein kann. Das Werk traf auch wegen der Direktheit der Aussage: es wurde zum Zentralpunkt des Konzerts. Ein afrikanisches Gebet, dessen Anfang den Titel hergab, bildete dem Komponisten zwar inspirierenden Grund, das akustische Vernommene war aber bar jeder Forderung nach kompositionserschließender Kenntnis dahinterstehender Wortinhalte oder gar Philosophien; auch dem Gebetsfernen blieb jeder Zugang offen, das begründete Wort ist oder wäre durch diese Musik zur Marginalie verkommen.

Der 1961 geborene Burkhardt verwendete Klang- und Rhythmusmittel, die unmittelbar prozeßhaft, nicht mittelbar zustandsbezogen wirkten. Die Form war medialer Hintergrund, der Inhalt wirkte und - wie banal - kam an. Das motivische Material der Exposition durchzieht drei der vier Teile des in der klassischen Sonatenform konzipierten einsätzigen Werkes. Die charakter-kontrastigen Teile füllten und strukturierten emotional packend den Aussagekern - die sprühende Freude - und beleuchteten in ihrer Gesamtheit ihn gleichsam. Mikropolyphonie, motivische Charakteristik werden geleitet durch eine ausgeklügelte Ausdrucksökonomie der Rhythmik, vom polyphonen Detail bis zur homophonen Zusammenballung. In dieser Symbiose ist Burkhardts Originalität eingeprägt. In beiden Leitheimer Aufführungen des Tages wurde der Komponist stürmisch gefeiert. Die Akribie und die musikalische Hingabe in Einstudierung und Ausführung durch das junge Ensemble vermittelte ein emphatisches Werk, das auch einen Komponisten auf dem Weg nach oben versinnbildlichend mit einzuschließen imstande war.

Helmut Burkhardt wurde in Wernberg geboren, studierte am Münchner Richard-StraußKons Komposition, Cembalo und Klavier. Kompositorisch prägend war sein Studien an der Wichita State University in den USA bei Walter Mays. Dort wurden auch seine Cello-Sonate und das „Combattimento für Percussionsensemble, Klavier, Celesta und E-Gitarre" zum ersten Mal aufgeführt. Seine „Ma-rimba World für Marimba solo" musiziert das österreichische Ensemble für Neue Musik in Salzburg. Helmut Burkhardt lebt in Wernberg.

Vielleicht gar nicht gewagt, und auch keine Prophetie im eigenen Lande: Es sieht danach aus, als könnte Helmut Burkhardt seine Zeit bald viel deutlicher dem Komponieren widmen. Maximilian Schnurrer