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Bad Kissingen. Mit beherztem Zupacken bei den dämonischen Repetitionen zu Beginn des Quartettsatzes c-Moll von Franz Schubert machte das Nomos-Quartett den Zuhörern deutlich, daß dieses Streichquartett-Fragment zu Unrecht lange Zeit verschollen war. Auch die zwei heiteren Zwischenepisoden kamen zu ihrem Recht, bevor die gewitterartigen Tremoli wieder jäh ein unheilvolles Aufbegehren ankündigten, mit dessen düsterer Grundstimmung das Ensemble dem Konzert die passende Vorschau gab.
Der Obermacht klassisch-romantischer Literatur versuchen die Verantwortlichen des Kissinger Sommers immer wieder fein dosierte Kleinstmengen Musik unserer Zeit entgegenzustellen. Mit Unterstützung des Audi-Kulturfonds kam diesmal Helmut Burkhardths Klavierquintett zur Uraufführung. Der Komponist umreißt im Programm die Intention seines Werks folgendermaßen: „Ich bin ein Künstler, dessen Feuer eher innerlich lodert. Vermutlich lebe ich meine inneren Zustände am eindringlichsten über meine Kompositionen aus". In feinen, stimmigen Verästelungen, umrahmt von expressionistischen Ausbrüchen des Klaviers, vermochte dieses neue Werk zu überzeugen und die Innovationskraft dieser romantischen Besetzung unter Beweis zu stellen.
Bestechend die Farbigkeit und die spielerische Leichtigkeit von neuen Spielarten (z. 8. harfenartiges Spiel im Innenraum des Flügels) und traditioneller Klangkultur (polyphoner Steichersatz): Sie verdichteten sich homogen und spannungsgeladen zu fast sinfonischen Klangbilder. Diese Höchstschwierigkeiten in Tongebung, Zusammenspiel und Einführung in die neue Klangwelt wurden vom Quartett und dem Pianisten mit überzeugendem Engagement und traumhafter Feinabstimmung dargeboten.
Beim Scherzo es-Moll op. 4 konnte Matthias Kirschnereit eine pianistische Visitenkarte allererster Güte abliefern. Mit Akribie ging er den Klangballungen, strengen Formen und leidenschaftlichen Anrufungen des jungen Brahms nach und schuf hiermit eine gelungene Brücke zum abschließenden Quartett f-Moll von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Das Nomos-Quartett zauberte alle Gestaltungsebenen aus diesem Meilenstein der Quartettliteratur - polyphone Motivverknüpfungen. an Schubert erinnernde Stericheriremoli und das romantische Adagio ließen die Interpretation zu einem der Höhepunkte dieses Konzerts werden. Im Finale bewies der Komponist Herz und bedachte alle Stimmen mit exponierten Soli - Martin Dehnling und Sonja Maria Marks. Violinen, Frederjeke Koch, Viola, und Sabine Pfeiffer, Violoncello, dankten es ihm mit all ihrem individuellen Können, das hervortrat, ohne den Quartettklang zu sprengen.
Es bleibt zu hoffen, daß die junge Elite" mit dem Nomos-Quartett und dem Pianisten Matthias Kirschnereit sich dadurch jung erhält, indem sie auch weiterhin mit soviel Engagement neben dem klassischen Repertoire dem zeitgenössischen Schaffen junger Komponisten eine Chance gibt. Lorenz Schmidt