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Gustav-Mahler-Ensemble konzertierte im Kettelerhaus - 500 Besucher bejubelten die Interpreten und Komponist Helmut Burkhardt
Tirschenreuth. Ein großer Konzertabend in glanzvoller Stimmung, mit einem erlesenen Programm und ausgezeichneten Interpreten konnte am Sonntag von 500 Besuchern im vollbesetzten Kettelerhaus genossen werden: die Volkshochschule hatte das Gustav-Mahler-Ensemble Wien mit der Soloviolinistin Elena Denisova geladen.
Gegeben wurden klassische Meistverwerke von Schubert und Vivaldi, die die Welt seit Jahrhunderten bewegen, und - als starke regionale Note, zwei Werke des anwesenden Wernberger Komponisten und Pädagogen an der Kreismusikschule Tirschenreuth, Helmut Burkhardt, denen hohe Aufmerksamkeit und Aufgeschlossenheit entgegengebracht wurde.
Klavierquintette eröffneten Musikfolge
Zwei Klavierquintette eröffneten die Musikfolge: Franz Schuberts op. 114 schenkte beschauliche Romantik und bot im vierten Satz reizvolle Variationen über das populäre Liedthema „Die Forelle", die lustvoll verspielt durch alle Lagen schwamm. Pianist Alexej Kornienko und seine Frau Elena Denisova warfen sich die Stimmführung wie Spielbälle zu, sensitiv begleitet vom warmen Streichergrund, den Bratschist Gyözö Mate, Cellist Grigori Alumjan und Bassist Tuomo Kinnunen legten.
Für Helmut Burkhardts Vertonung des afrika-Gebets „Ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel" wählte die Violinistin diesmal nicht ihre altehrwürdige Dame (ein fast 300 Jahre altes Francesco Ruggieri-Instrument), sondern eine kupferrot leuchtende junge Lady aus der Hand des anwesenden Regensburger Geigenbauers Horst Goldfuss, dessen Betrieb in dritter Generation 1994 in der italienischen Stradivari-Stadt Cremona die höchste Auszeichnung seines Metiers erhielt. Alexej Kornienko dirigierte die anspruchsvolle Tondichtung, bei der Susanna Koller den Klavierpart übernahm und Violinist Edouard Idelchouk die Streicher verstärkte.
Abenteuerliches Musikkapitel
Mit geschmeidigen glissandi der Saiteninstrumente zu den perlend-funkelnden Reflexionen der Tasten, durch leichtes Schlagen der Bögen auf die Saiten, Flirren, Kreischen und spitze Schreie wurde den meisten Besuchern ein neuartiges und abenteuerliches Musikkapitel aufgeschlagen, mit dessen Niveau man sich in jeder Weltstadt vorstellen und hören lassen könnte.
Warum endet eigentlich bei so vielen die grenzenlose Toleranz des „höher, schneller, neuer, weiter", die alle Aspekte unseres Alltagslebens erfasst, ausgerechnet und ausschließlich bei der Musik, wo wir uns plötzlich im elektrizitätslosen und undemokratischen Kutschenzeitalter wohlfühlen? Unser Zeitgenosse Helmut Burkhardt hat uns da doch viel mehr zu sagen, lebt er doch in derselben Region und derselben problematischen Zeit wie wir - und findet die ehrlich reflektierte Musiksprache dazu.
Violistin spielte ihr gewidmetes Stück
Ein besonderes Erlebnis mit außergewöhnlicher atmosphärischer Dichte erwarteten die Hörer auch nach der Pause: die musikalische Dichtung „Senza" („Ohne") in Anwesenheit des Komponisten von der Violinistin interpretiert, der das Poeme aus dem Jahr 1995 gewidmet ist - so etwas kann man nicht alle Tage erleben - das spürte auch das atemlos stille Publikum. 1996 wurde die Schöpfung in Wien uraufgeführt, und war in der Oberpfalz erstmals 1997 im Schwandorfer Künstlerhaus zu hören. Das Kleinod von straffen fünf Minuten Kürze verlangt der Musikerin viel unkonventionelle Techniken ab und schenkt dem Hörer eine Vielzahl von akustischen Eindrücken -mit einem Zupfer endet das spannungsgeladene Stück überraschend. Bravorufe lobten Musikerin und Tonschöpfer gleichermaßen.
Alle, denen der Mittelteil des Konzerts nun denn doch etwas zu ungewohnt progressiv gewesen sein sollte, konnten schließlich durch eines der schönsten Werke der Weltliteratur, Antonio Vivaldis „ Vier Jahreszeiten", restlos versöhnt werden. Bei der hervorragend synchronen und ausrucksstarken Interpretation wirkte Alexej Kornienko am Cembalo, das festlich-barocken Glanz beisteuerte, die Streicher wurden durch Galina Danilowa verstärkt, während„ die Denisova" erneut virtuos als Solistin den Paradepart inmitten des Septettes übernehmen durfte: sie vereinte besonders hier in Harmonie die ganz widersprüchlichen Charaktere von femininer Einfühlsamkeit (etwa beim Largo des Frühlings) und kraftvoller Dominanz im Presto des Sommers, das überschäumende Lebensfreude geradezu ansteckend umsetzte.
Kein einziges der vielen Sätze und Themen mußte hier „durchgestanden" oder „abgewartet" werden - der Einfallsreichtum Vivaldis beschenkt den Hörer in jedem Takt. Ein überdimensional großer Blumenstrauß für die zierliche und energiegeladene Vertreterin der russischen Geigerelite würdigte deren Leistungen verdient, und auch die warmherzigen und lebhaften Ovationen des Tirschenreuther Publikums waren bemerkenswert.